🦠 Der Präsident des Berliner Segler-Verbandes Reiner Quandt richtet sich an die Mitglieder mit einem weiteren Rundschreiben:
Liebe Segelkameradinnen und –kameraden,
ich wähle diese bei manchen jüngeren Seglerinnen und Seglern etwas altmodische Anrede ganz bewusst, weil ich in den letzten Wochen einen unheimlichen Zusammenhalt, eine Gemeinschaft unter den Segelsportlern erlebt habe, von der ich dachte, dass sie gar nicht mehr so ausgeprägt ist.
Erlauben Sie mir heute einige persönliche Worte:
Unsere Gewässer sind in ganz Berlin leer, kein Segelboot weit und breit. Dabei überwintern in vielen Vereinen oder Marinas einige Schiffe im Wasser, in vielen Vereinen gibt es Kräne, die mit zwei oder drei Profis das Slippen ermöglichen könnten. Aber wenn ich durch Berlin fahre, sehe ich in den Vereinen die allermeisten Boote noch in Planen eingehüllt im Winterschlaf, kein Geräusch von Schwingschleifern ist zu vernehmen. Obwohl der Drang fast kaum auszuhalten ist, wenigstens mal kurz die Batterien zu laden, diesen Meter Sikaflex an der Scheuerleiste zu ergänzen oder bei der Wärme wenigstens die kleine Macke im Gelcoat auszubessern: Sie alle haben sich an das Nutzungsverbot der Sportstätten gehalten. Herzlichen Dank dafür!
Doch vermehrt erreichen den Berliner Segler-Verband auch Emails einzelner Segler, die die Ungleichbehandlung von Vereinen oder gewerblichen Marinas beklagen, die unter Einhaltung der Abstandsregeln doch unbedingt aufs Wasser wollen und von ihrem Verband erwarten, dass er sich für die Interessen der Seglerinnen und Segler bei den politischen Entscheidern dahingehend einsetzt, dass endlich wie in den gewerblichen Bootshäusern abgeslippt und wieder gesegelt werden darf.
Anlass für eine Videokonferenz am 09.04.2020 der Reviervorsitzenden und des Schatzmeisters mit mir, um die Interessenlage der Basis zu diskutieren. Dabei gab es durchaus unterschiedliche Meinungen. Sie reichten von der dringenden Bitte, die Entscheidungen der Politik abzuwarten, bis zu der Auffassung, dass unter strengen Auflagen ein Arbeiten an den Booten und ggf. auch ein Abslippen möglich sein sollte.
Ich habe die ruhigen Osterfeiertage genutzt, um eine schwere Entscheidung zu treffen:
Der Berliner Segler-Verband wird sich zum jetzigen Zeitpunkt (noch!) nicht für eine Lockerung der Corona-Verordnung für Segelvereine einsetzen, machen jedoch Vorschläge wie wir uns zum gegebenen Zeitpunkt Lockerungen vorstellen können (siehe Anlage). Boote können nicht überholt werden, ohne in den Vereinen die Sanitäranlagen zu öffnen. Gerade hier drohen aber vermehrt Gefahren der Übertragung des Virus. Keiner von uns kann die Gefahr einer Übertragung dieses Virus sicher beurteilen, aber die Altersgruppe, die sich häufig in unseren Vereinen aufhält, gilt als besonders gefährdet. Das Abslippen ist in den meisten Vereinen eine gemeinschaftliche Arbeitsleistung. Der Slipwagen kann nicht in jedem Fall nur von zwei Menschen mit 1,50 Metern Abstand über das Grundstück geschoben werden. Und was ist gewonnen, wenn das Schiff im Wasser liegt? Wie soll man mit 1,50 Metern Abstand segeln gehen? Lediglich in häuslicher Gemeinschaft lebende Menschen könnten gemeinsam ein Boot nutzen.
Ich habe immer behauptet, dass Segeln nicht nur einfach ein Sport ist, sondern eine Lebensauffassung. Vielleicht fällt es uns allen deshalb so schwer, darauf verzichten zu müssen. Unsere Vereine sind für viele Menschen auch der Mittelpunkt ihrer sozialen Kontakte. Der Wegfall fällt besonders schwer, selbst für die Mitglieder, die eher selten das Miteinander gesucht haben. Wir erfahren gerade, wie es sich anfühlt, dass etwas Selbstverständliches plötzlich unmöglich geworden ist.
Es zeichnen sich Lockerungen für den Sportbetrieb ab, deshalb sind wir im Berliner Segler-Verband aktiv geworden und haben den politischen Entscheidern Vorschläge unterbreitet, unter welchen Voraussetzungen wir uns Überholungsarbeiten an den Schiffen und ein Slippen vorstellen können.
Bis es soweit ist, bitten ich Sie ganz eindringlich um Geduld. Auch mein Schiff steht ganz vorne an der Slipanlage, leider seit 5 Wochen ohne Plane. Ich vermisse meine Clubkameraden, die kleinen Streitereien, die anschließende Versöhnung, das Zusammensitzen und Herumblödeln. Ich vermisse mein lieb gewonnenes Leben, genau wie Sie alle!
Aber ich möchte auch alle nach der Pandemie gesund wiedersehen und nicht zählen müssen, wer alles fehlt. Vielleicht werden wir in einem Jahr sagen, wir haben die Vorsichtsmaßnahmen übertrieben, vielleicht war es aber genau das Richtige, was wir getan haben. Niemand von uns kann das heute beurteilen.
Im Anhang finden Sie ein Schreiben des LSB und ein mit den Reviervorsitzenden abgestimmten Brief, den wir heute u.a. an den LSB, die Wassersportkommission sowie die politischen Entscheidungsträger in Berlin geschickt haben.
Bleiben sie gesund und voller Zuversicht!
Ihr
Reiner Quandt
Präsident